Reformatio in peius, § 79 II 1 VwGO
= "Verböserung" bzw. "Reformatio in peius"
Sie liegt vor, wenn der Adressat des belastenden Ausgangs-VA einen WS einlegt und es dann im WS-Bescheid für ihn zu einer weiteren Verschlechterung kommt.
Kernproblem:
Kernproblem ist die Enttäuschung des Vertrauens des WS-Führerers in den WS. Er denkt durch den WS wird seine Situation besser, stattdessen wird sie schlechter.
Das ist der Grund dafür, dass die Reformatio in peius nur dann vorliegt, wenn nur der Adressat des belastenden VAs WS erhebt.
Erhebt ein Dritter ebenfalls WS kann der Adressat nämlich nicht auf eine Verbesserung durch das WS-Verfahren vertrauen. Im Gegenteil, er muss mit einer Verschlechterung rechnen.
Prozessualen Konsequenzen im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Anfechtungsklage?
a) statthafte Klageart
(P): Es ist fraglich, ob der WS-Bescheid alleine oder zusammen mit dem Ausgangsbescheid angefochten werden kann.
Grundsätzlich ist nach § 79 I Nr.1 VwGO der Ausgangsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids, sprich beide Bescheide zusammen, Gegenstand der Anfechtungsklage. Nur bei den § 79 I Nr. 2 VwGO und § 79 II VwGO ist der WS-Bescheid alleine anfechtbar.
§ 79 I Nr. 2 VwGO setzt dafür eine "erstmalige" Beschwer voraus. § 79 II VwGO hingegen setzt eine "zusätzliche Beschwer" voraus. D.h. bei § 79 I Nr. 2 VwGO darf der Ausgangsbescheid keine Beschwer haben und bei § 79 II VwGO ist der Ausgangsbescheid für den Kläger bereits belastens.
Des Weiteren hat der Kläger bei § 79 II VwGO - im Gegensatz zu § 79 I Nr. 2 VwGO - die Wahl nur den WS-Bescheid anzufechten oder auch den Ausgangsbescheid. Dafür muss der WS-Bescheid gegenüber dem Ausgangsbescheid eine zusätzliche Beschwer (eine Verböserung) enthalten. Dabei ist zu beachten, dass eine solche Beschwer bei jeder Änderung des Ausgangsbveraltungsaktes zuungunsten des Adressaten gegeben ist. Das ist auch dann der Fall, wenn der Adressat nur zusätzlich belastet wird durch z.B. eine Auflage oder eine Bestimmung. Bei der zusätzlichen Beschwer des WS reicht die Möglichkeit einer solchen aus.
b) Erfolgloses Vorverfahren
Gem. § 68 I 1 VwGO muss vor Anfechtungsklage ein Widerspruch eingelegt worden sein. Bei der Reformatio in peius ist zwar ein Widerspruch eingelegt worde, aber nicht gegen den angegriffenen VA - den Widerspruchsbescheid -, sondern gegen den Ausgangs-VA. Fraglich ist deshalb, wie das fehlden Vorverfahren zu bewerten ist.
Gem. § 68 I 2 Nr. 2 VwGO ist ein Vorverfahren entvehrlich, wenn der Abhilfebescheid oder der WS-Bescheid erstmalig Beschwer erhalten haben. Das währe nach dem Wortlaut der Fall des § 79 I Nr.2 VwGO und nicht ein Fall des § 79 II VwGO, der eine Beschwer des Ausgangs-VA und eine zusätzliche Beschwer des WS-BEscheides voraussetzut. Aber auch hier wird § 68 I 2 Nr. 2 VwGO aufgrund des allgemeinen Rechtsgedanken des § 68 I 2 Nr. 2 VwGO für den Fall des § 79 II VwGO angewandt. Der allgemeine Rechtsgedanke ist, dass gegen den Widerspruchsbescheid nicht nochmals Widerspruch eingelegt werden kann bzw. muss.
c) Klagefrist
In den Fällen des § 68 I n1 VwGO richtet sich die Klagefrist nach § 74 I 2 VwGO, da ein WS-Bescheid des angefochtenen VA nicht ergangen ist bzw. entbehrlich ist (s.o.). Die Frist beträgt somit einen Monat seit Bekanntgabe des angefochtenen VA, also des zusätzlich beschwerten WS-Bescheides.
d) Klagegegner
Klagegener ist gemäß §§ 79 III 3, 78 I Nr, 1, II VwGO gegen den Rechtsträger der Widerspruchsbehörde zu richten.